Das Münchner Stadtmuseum zeigt derzeit unter dem Namen „Typographie des Terrors – Plakate in München von 1933 bis 1945“ 100 Plakate.

"Typographie des Terrors"-Plakat

„Typographie des Terrors“-Plakat

Die meisten davon behandeln Nationalsozialisten und deren zahllosen Organisationen und Veranstaltungen. Allerdings mischen sich auch ein paar Werbeplakate aus dieser Zeit darunter.

Alle Plakate hängen als Originale verteilt über drei Räume und sind chronologisch aufsteigend sortiert. Zu jedem Jahr gibt es am Anfang eine Zeittafel mit den wichtigsten Geschehnissen. Diese Übersichten machen es sehr einfach, die einzelnen Exponate in ihren geschichtlichen Kontext einzuordnen – was bei solchen Werken sinnvoll ist, um ihre Bedeutung besser erfassen zu können.

Darüber hinaus gibt es zu dem einzelnen Plakat noch eine Hinweistafel, die ein bisschen was zum Hintergrund und, wenn bekannt, auch zu demjenigen, der das Poster gestaltet hat, erklärt.

Abgerundet wird das Ganze durch, etwas versteckt gelegene, Kurzbiografien ausgewählter Grafiker.

Leider gibt es keine Pressebilder und auch im Netz findet man kaum vernünftige Bilder von den Plakaten. Da ich aber trotzdem ein paar der Plakate zeigen will, kann ich leider nur mit mäßigen Fotos des Buchs zur Ausstellung dienen.

Typographie des Terros – Was mir gefallen hat

Das Beeindruckenste an der Ausstellung ist für mich eindeutig, die Plakate in voller Größe vor sich hängen zu sehen. Schon nach den ersten paar Schritten in den ersten Ausstellungsraum beschlich mich ein nicht zu ignorierendes Gefühl von Beklemmung und Unwohlsein.

Plakat zur Ausstellung "Großdeutschland und die See" von 1941

Plakat zur Ausstellung „Großdeutschland und die See“ von 1941

Die fast durchweg sehr heroischen Motive überwältigten mich ziemlich schnell. Durch die Verbindung von der schieren Größe der Exponate, der großen Anzahl und dem kleinen Raum, auf dem die Plakate beinahe gedrängt wirken, bekommt man sehr schnell einen Eindruck davon, wie das früher gewirkt haben muss, als die Plakte zu hunderten in den Städten hingen.

Obwohl es innerhalb der Ausstellung keine Leitsystem gibt, in welcher Reihenfolge man sich durcharbeiten soll, kann man sich anhand großer Jahreszahlen an den Wänden recht schnell orientieren.

Ich fand es sehr hilfreich erst die wichtigen Daten des jeweiligen Jahres zumindest kurz zu überfliegen, bevor man sich den Plakaten zuwendet. Da sich die meisten Poster auf bestimmte Termine beziehen, ist es deutlich einfacher sie so richtig einzuordnen und sie erschließen sich einem einfacher.

Viele der Motive basieren auf zeitgenössischen Symbolen und Stilmitteln. Zwar wird auf den einzelnen Tafeln zu den Ausstellungsstücken einiges zum Hintergrund erklärt, so ganz ohne geschichtliche Vorkenntnis ist man allerdings ziemlich verloren.

Es hat mir sehr gefallen, dass sich die Texte auf den erklärenden Schildern auf gestalterische und geschichtliche Merkmale konzentrierten. Es wurde keine Wertung oder moralische Einordnung vorgenommen, sondern kurz umrissen, was auf dem Plakat zu sehen ist, worum es sich dabei handelt und welche Stilmittel typisch bzw. außergewöhnlich für ihre Zeit sind.

Ausstellung "Das Recht"-Plakat von 1936

Ausstellung „Das Recht“-Plakat von 1936

Die Auswahl der Plakatmotive ist sehr vielfältig. Man sieht Werbeplakate für Ausstellungen und Theateraufführungen, Spendenaufforderungen, Propagandaplakate, Wahlplakate und, vorallem in den letzten Jahren, Durchhalteparolen für die Bevölkerung.

Interessant fand ich auch Plakate, die wie eine sehr große Zeitung funktionierten. Auf diesen wurden aktuelle Nachrichten und Verlautbarungen an die Wand gebracht.

Dadurch, dass man selbst vor diesen Plakaten stand und die Artikel las, wurde Geschichte plötzlich sehr greifbar. Mit einem Mal befand man sich in der selben Haltung und konsumierte die selben Texte, wie die Leute vor 70 – 80 Jahren. Es fühlte sich seltsam an, als mir das bewusst wurde, da man auch der selben Propaganda ausgesetzt war. Natürlich lassen sich die Umstände nicht vergleichen, aber man bekommt eine Ahnung davon, wie diese Texte auf die Menschen gewirkt haben.

Sehr aufschlussreich fand ich auch die Kurzbiografien. Erschreckend fand ich dabei, wie leicht einige der Leute, die für die Faschisten Propaganda- und Hassplakate gestaltet und produziert haben, nach der deutschen Kapitulation einfach weiterarbeiten konnten. So zum Beispiel Hans Schweitzer, der zweifelsohne ein äußerst talentierter Grafiker und Illustrator war.

Unter gestalterischen Gesichtspunkten (Flächenaufteilung, Farbgebung, Kontraste, Richtungen, Herausstellen der Botschaft) ist das Plakat „Sieg oder Bolschewismus“ (unten) meiner Meinung nach großartig. Ob jemand, der Plakate mit so einem Inhalt gestaltet, allerdings später fürs Bundespresseamt arbeiten sollte, halte ich für sehr fraglich.

Durchhalteparole in Plakatform "Sieg oder Bolschewismus" von 1943

Durchhalteparole in Plakatform „Sieg oder Bolschewismus“ von 1943

Was mir nicht gefallen hat

Wer dem Namen der Veranstaltung vertraut, wird bitter enttäuscht.

Erhofft man sich wirklich Inhalte zum Thema Typografie, wird man als Besucher ziemlich vor den Kopf gestoßen. Es gibt zwar immer mal wieder Anmerkungen zur Geschichte der Fraktur, dem Streit zwischen Verfechtern von Antiqua- und Fraktur-Schriften und auch das Umschwenken der Nationalsozialisten von den angeblichen „Schwabacher Judenlettern“ zu Antiqua-Schriften wird erwähnt.

Damit hat es sich dann aber auch.

Auf den Plakaten sind jede Menge sehr unterschiedliche Schriften zu sehen, aber es gibt so gut wie keine Erläuterungen dazu. Interessant wäre für mich gewesen, wie die Frakturschrift heißt, wer sie wann geschnitten hat und ob es eine damals sehr gebräuchliche oder exotische Schrifttype war. Leider erfährt man darüber aber nichts.

Sehr schade fand ich außerdem, dass es kaum Exponate aus der Zeit nach 41 gab. Nun gab es in diesen Jahren kriegsbedingt einfach weniger Plakate und die Ausstellung konzentriert sich streng auf den Münchner Raum, aber bloß sieben Motive für die Jahre 42 – 45 ist etwas sehr dürftig, wobei es aus dem Jahr 45 nur eine Sonderausgabe einer Zeitung gibt, die das Ende des Krieges verkündet.

Ziemlich nervig fand ich, dass die Aufsicht der Ausstellung mir ständig auffällig unauffällig hinterher geschlichen kam. Klar, die sind dafür da um für Ordnung zu sorgen, aber da ich an einem Donnerstagvormittag so ziemlich der einzige Besucher war, hätte man das sicherlich auch eleganter lösen können. So eine derart zwielichtige Person bin ich ja nun auch nicht…

Das Buch zur Ausstellung

Das Buch zur Ausstellung "Typographie des Terrors"

Das Buch zur Ausstellung – 336 Seiten für 39,99€

Da ich, trotz der Kritikpunkte, die Ausstellung sehr faszinierend fand, habe ich mir das Buch zur Ausstellung gekauft.

Mit 336 Seiten und einem Format irgendwo zwischen A4 und A3 ist das schon ein ganz schöner Brocken.

Auf den Fotos im Artikel kann man sehen, dass es zu jedem Plakat einen sehr ausführlichen Begleittext gibt. Wer sich immerhin hier Informationen zum Thema Typografie erhofft, wird allerdings wieder enttäuscht. Die Texte befassen sich hauptsächlich mit der geschichtlichen Einordnung und einer Erklärung der auf den Plakaten proklamierten Veranstaltungen oder Parolen.

Diese Erläuterungen finde ich ziemlich interessant und aufschlussreich, verfehlen aber leider das Thema der Ausstellung komplett.

Es gibt zwar auch immer ein paar Sätze zur Gestaltung, aber die sind denen auf den Hinweistafeln in der Ausstellung sehr ähnlich.

Immerhin bestehen die ersten paar Seiten aus zeitgenössischen Schautafeln verschiedener Schriftgießereien, die ihre neuen Schrifttypen, überwiegend unterschiedliche Frakturvarianten, vorstellen. Warum allerdings diese Seiten gänzlich unkommentiert bleiben und auch nur einen sehr kleinen Teil des Buchs ausmachen, erschließt sich mir nicht ganz.

Leuten, die sich für Plakatgestaltung und die Ästhetik des dritten Reichs interessieren, sei dieses Buch dennoch wärmstens empfohlen. Eine so umfangreiche Sammlung von Plakatmotiven aus dieser Zeit mit so tiefschürfenden historischen Analysen dazu habe ich so noch nirgends sonst gesehen.

Kaufen kann man das Buch „Typographie des Terrors – Plakate in München 1933 bis 1945“  beispielsweise bei Amazon für wirklich gut investierte 39,99€.

Fazit

Diese Ausstellung ist ein zweischneidiges Schwert. Wer sich für Typografie interessiert, bekommt eine ganze Menge geboten. Allerdings muss man, um das nutzen zu können, eine Menge Vorwissen und auch Zeit mitbringen, da man sich den Erkenntnisgewinn selbst erarbeiten muss.

Wer Erläuterungen zur Gestaltung durch Schrift erwartet, sollte die Ausstellung meiden.

Für Leute, die sich für Plakatgestaltung, Frakturschriften, Geschichte und Ästhetik der nationalsozialistischen Gestaltung interessieren, ist diese Ausstellung ein wahrer Schatz.

"Abendmusik der Hitlerjugend"-Plakat von 1940

„Abendmusik der Hitlerjugend“-Plakat von 1940
Was man leider nicht in dem Buch und schon gar nicht auf dem Foto sieht:
Was hier golden schimmert, ist im Original tatsächlich Goldfarbe

Zu welcher Gruppe man sich zählt, bleibt jedem selbst überlassen.

Mir persönlich hat die Ausstellung ausgesprochen gut gefallen! Diese Plakate in Originalgröße an einer Wand hängen zu sehen, war ein Erlebnis, das mich wohl noch eine ganze Weile beschäftigen wird.

Für mich als Freund von Frakturschriften war es großartig so viele ganz unterschiedliche Schrifttypen zu entdecken. Auch war es interessant zu sehen, wie diese heute kaum noch gebräuchlichen Schriften in der Plakatgestaltung genutzt wurden und was für wunderschöne Resulte dabei heraus kommen. Mein besonderes Highlight ist das Plakat zur „Abendmusik der Hitlerjugend“ (oben).

Ich kann den Besuch der Ausstellung nur empfehlen. Sie läuft noch bis zum 11. November 2012 im Münchner Stadtmuseum.

Mehr Plakate hier im Blog gibt es unter dem Stichwort „Plakat„.